Familienrechtliche Fragestellungen sind häufig sehr vielschichtig. Die meisten Entscheidungen haben Auswirkungen auf das Leben der Kinder in den betroffenen Familien. Solche Auswirkungen zu erfassen, zu beschreiben und zu bewerten, ist eine Kernkompetenz von Psychologen. Daher macht es in vielen Verfahren am Familiengericht Sinn, die Meinung von psychologischen Sachverständigen einzuholen.
Der psychologische Gutachter ist ein Ratgeber des Gerichts. Er handelt im Auftrag des Gerichts und ist wie der Richter zur Neutralität verpflichtet. Er ist allerdings kein Angestellter des Gerichts.
Der Gutachtensauftrag gibt dem Sachverständigen vor, welche Bereiche das Gutachten berücksichtigen soll. Da die Fragen des Gerichts meist Aspekte betreffen, die über rein juristische Erwägungen hinausgehen, stellen die Aussagen des psychologischen Sachverständigen eine wichtige Ergänzung zu den Angaben von Eltern und Kindern, Rechtsanwälten, Jugendamt und Zeugen der Parteien dar.
Das psychologische Gutachten ist jedoch nicht die ausschließliche Grundlage einer richterlichen Entscheidung. Vielmehr wird das Gericht eine psychologische Empfehlung stets in Verbindung mit weiteren Aspekten prüfen und im Verfahren berücksichtigen.
Die genaue Fragestellung des Gerichtes an den Sachverständigen finden Sie im schriftlichen Beschluss des Gerichts, mit welchem dem psychologischen Sachverständigen der Gutachtensauftrag erteilt wird.
Fragen an psychologische Sachverständige betreffen häufig die folgenden – hier beispielhaft angeführten – Themenbereiche:
Hat das Gericht in Ihrem Fall ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben, so führt der Psychologe zunächst meist ein ausführliches Gespräch mit Ihnen, Ihrem Kind sowie anderen für die Begutachtung wichtigen Personen. Häufig setzen Psychologen auch standardisierte Testverfahren ein. Dabei handelt es sich i.d.R. um Fragebögen, manchmal auch um Beobachtungs- oder Spielverfahren. Das Ziel der Gespräche und Tests ist es, möglichst viel über Sie, Ihre Familie und Ihre Lebenssituation zu erfahren. Es gibt in der psychologischen Begutachtung allerdings keinen durch Gesetz oder Vorschriften festgelegten Ablauf. Der Sachverständige passt sein Vorgehen vielmehr der gerichtlichen Fragestellung sowie Ihrer Situation an.
Früher verstand man unter einem psychologischen Gutachten eine bisweilen umfangreiche schriftliche Zusammenfassung der Gespräche und Testergebnisse. Heute schließt die psychologische Begutachtung zumeist den Versuch mit ein, den gerichtsanhängigen Konflikt in Gesprächen unter Vermittlung des psychologischen Sachverständigen einer Lösung zuzuführen, die für alle Beteiligten akzeptabel ist und dem Kindeswohl dient.
Will man das Ziel der Begutachtung in einem Satz zum Ausdruck bringen: Ein gutes Ende zum Wohl des Kindes.
Im Zusammenwirken aller Beteiligten soll und kann es gelingen, den Streit vor Gericht zu lösen. Sind Mutter und Vater in der Lage, miteinander sowie gemeinsam mit weiteren Helfern die Zukunft des Kindes aktiv zu gestalten, ist viel für dessen Entwicklung gewonnen. Versöhnliche und zufriedene Eltern sind eine wichtige Voraussetzung für eine glückliche Kindheit. Gelingt dieser Prozess, wird es allen in der Familie besser gehen. Dann ist auch das Wohl derer gewahrt, die beim familienpsychologischen Gutachten im Mittelpunkt stehen: das Wohl der Kinder.
28.01.2011 (c) Dr. Johannes Streif